Unser Dorf.

„Weil es ein ganzes Dorf braucht um ein Kind großzuziehen.“ (von Geborgen wachsen)

Rückblickend betrachtet, hätte ich mir in der Zeit der Schwangerschaft und zu Zeitpunkt der Trennung gleich ein stabiles Dorf um mich herum bauen sollen. Ich hätte mir einige Erschöpfungszustände, Überforderungsmomente und Tränen erspart. Aber mir war schlicht nicht bewusst, wie unglaublich nährend es ist ein Dorf aus liebevollen, beständigen Menschen zu haben. Ich war zu sehr noch mit dem Thema Trennung beschäftigt und hatte keinen Blick für die Zukunft.

Doch spätestens nach den ersten Wochen mit meinem Kind wurde mir bewusst: Ich kann das nicht alleine schaffen. Ich brauche Hilfe und ich werde diese dankbar annehmen. Zudem beschäftigte ich mich zunehmend mit dem Thema „Artgerechtes Leben“. Ich stellte mir Fragen „Was wäre wenn…“? Was wäre, wenn mir was passiert? Was wäre, wenn ich krank werde? Was wäre, wenn… Es gab mehrere Szenarien, die ich durchspielte und es gab mittlerweile auch schon einen Alltag mir Säugling, der mir vor Augen hielt, dass ich es alleine nicht schaffen kann und möchte. Denn ich habe schnell lernen dürfen, dass nur wenn es der Mama gut geht, es auch dem Kind gut geht. Und sicherlich ist die Art und der Umfang, den man selbst braucht an Hilfe, sehr unterschiedlich und abhängig vom Temperament des Kindes, der Bedürfnisse aller in der Familie, der eigenen Belastungsgrenze u.v.m. Deswegen ist es pauschal nicht möglich zu sagen, was und wie viel eine Mama oder ein Papa an Hilfe braucht. Ein Baby hat auch noch ganz andere Bedürfnisse als ein Kleinkind oder älteres Kind.

Jetzt 2 Jahre später bin unendlich dankbar für das Dorf, welches ich um uns herum habe. Ein Dorf aus Freundinnen, meinen Eltern, Helfern verschiedener Art, die uns den Alltag erleichtern. Ich suchte Communitys wo ich mich mit Menschen verbinden konnte, die einen gleichen/ ähnlichen Alltag mit Kind leben um mich auszutauschen und um zu merken „Ich bin nicht alleine.“ Das tat ich vorallem für meine Seele. Ich suchte und fand eine liebe Nachbarin aus meiner Gegend, die die Spaziergänge abends mit meinem Hund für eine gewisse Zeit übernahm, weil ich es nicht durch die Tagesstruktur und die Bedürfnisse meines Kindes nicht konnte. Meine Eltern unterstützten mich zunächst in meinem Haushalt und später auch hier und da mit der Betreuung ihres Enkels. Heute essen wir auh noch mindestens 1-2 mal in der Woche gemeinsam Mittag und das finde ich wundervoll. Dieser volle Tisch mit guten Gesprächen und leckerem Essen. Der Papa des Kleinen war auch immer da, wenn zusätzliche Hilfe (über die „Umgangszeit“ hinaus) nötig war. Ich lernte zu fragen.

Ich lernte, nicht alles alleine stemmen zu müssen. Ich lernte, dass der Mensch nicht dafür gemacht ist – die Natur es schlicht nicht vorgesehen hat, dass wir alleine leben und alleine ein Kind oder mehrere Kinder großzuziehen. Und vorallem lernte ich diesen Schatz eines Clans zu schätzen. Ich sehe nun nach 2 Jahren was für wundervolle Beziehungen mein Kind zu seinen Großeltern hat und wie sehr ermeine engsten Freunde ins Herz geschlossen hat. Ich sehe und spüre jeden Tag: Wir können einen entspannten Alltag leben. Ich kann bewusst meine Zeit mit meinem Kind verbringen und mein Dorf hat es mir ermöglicht, dass ich mein Kind von Beginn an bedürfnisorientiert und artgerecht großziehen kann, weil sie mir die Aufgaben um das Mamasein herum abnahmen. Nicht ganz und nicht immer, aber in so einem Gleichgewicht, dass ich erst gar nicht wieder in einen Erschöpfungszustand kam.

Deshalb kann ich euch nur empfehlen: Baut euch euer Dorf <3

Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Holt euch Freunde, Verwandte oder Nachbarn dazu. Oder lasst euch jeden Tag Essen liefern  (in Erfurt gibt es bspw. einen Service, der mittags das Essen liefert für max. 2Euro pro Gericht), es gibt auch Großelterndienste, die man in Anspruch nehmen kann, sogar eine Haushaltshilfe kann für eine bestimmte Zeit von diversen Krankenkassen übernommen werden. Vernetzt euch mit anderen Mama´s und Papa´s, die in ähnlichen Situationen sind. Es gibt einen Verband für alleinerziehende Mütter und Väter (in mehreren Städten), es gibt Beratungsstellen, die helfen können um sich vernetzen oder wie man welche Hilfe ggf. finanzieren kann. Baut euch euer Netzwerk aus Hilfe und Nähe, welches die kleine Familie hält. Und ganz wichtig, seid ehrlich zu euch selbst. Ihr seid so unglaublich wundervoll, leistet so unglaublich viel und managt so viel. Kein Mensch muss alles alleine machen. Tut das was euch gut tut, eurem Familienalltag und eurer Seele. Schafft euch ein gesundes Gleichwicht für euch, für eure Kinder.

 

Und noch ein kleiner Tipp, den ich aus dem Buch „Artgerecht – Das andere Kleinkinderbuch“ von Nicola Schmidt habe:

·         „Es hilft, wenn wir konkrete Anfragen stellen: `Ich bin überfordert, ich brauche Hilfe!` klingt deutlich anstrengender…als `Ich brauche mittwochsabends für sechs Monate von 19.00 bis 22.00 Uhr einen Babysitter, damit ich zum Yoga gehen kann.`

So können sich eure Helfer auf das einstellen wo ihr wirklich Hilfe braucht und für euch selbst klingt es ganz anders. Es fühlt sich nicht so schwer an und gibt euch gleich ein ganz anderes Gefühl um Hilfe zu bitten.

 

Ich wünsche euch vom Herzen das Beste.

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